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Platte des Monats Juli 2015

Desaparecidos - Payola [Epitaph Records]

Quelle: Desaparecidos bei Epitaph Records

Albumcover von Desaparecidos' Payola

Conor Oberst lebt mit seinem Emopunk-Projekt Desaparecidos seine sozialkritische Seite aus und verhilft damit einem fast schon toten Musikgenre zu neuer Relevanz.

Der Name Conor Oberst fällt selten ohne den Zusatz "Mastermind" - und das zu recht. Seit über zwanzig Jahren macht der geniale Geist Musik und sucht sich dafür - ganz nach Projekt und Gusto - Kollegen in verschiedenen Konstellationen zusammen. Die bekannteste Gruppierung sind die derzeit auf Eis gelegten Bright Eyes. Aber auch solo oder mit der Mystic Valley Band kann Conor Oberst Platten verkaufen. Jetzt hat er eine zweite Platte mit Desaparecidos veröffentlicht - nach 13 Jahren Wartezeit.

Payola - mit Bestechung zum Erfolg

Schon der Titel des Desaparecidos-Album beinhaltet Kritik - da wird die fütternde Hand gebissen und die Musikindustrie an den Pranger gestellt: Payola bezieht sich auf die Praxis von Plattenfirmen, Radio- und Fernsehsender zu bestechen, um bestimmte Titel im Programm unterzubringen. Damit sollen die Songs bekannter werden und sich besser verkaufen. Gemessen an Conor Obersts Chartplatzierungen ist er ziemlich unverdächtig, jemals von einer solchen Vorgehensweise profitiert zu haben. Die wenigsten Plattenfirmen dürften für einen derart kritischen Künstler ein übermäßiges Risiko eingehen wollen. Denn Oberst spart nicht mit Vorwürfen gegen diejenigen, die seine Musik unter die Leute bringen sollen: Der Track Backsell greift ein paar Hochglanz-Labels (namentlich Interscope und Capitol) an: "Their cash cow killed himself so they’re looking for the next one."

Schwere Kost: Rassismus, Occupy, Anonymous

Desaparecidos suhlen sich aber nicht nur in den Abgründen des eigenen Business, sie arbeiten auf der Platte jede Menge Negativ-Schlagzeilen der vergangenen Jahre durch. Es geht um Polizisten in den USA, die sich voller Stolz mit dem Ku-Klux-Klan in einen Topf werfen lassen (MariKKKopa). Es geht um den Finanzsektor und Alltagsrassismus (Golden Parachutes): "It’s a frat house full of silver spoons / Watching pornography of busts and booms / It’s a locker room of CFOs / Telling racist jokes". Hier jammern keine blassen Jünglinge mit lila Emo-Haarsträhnen ihre Gefühle in Rockballaden daher, hier werden Protestsongs gemacht mit mehr Inhalt, als sie so manche Politikerrede liefert. Sogar die schwer zu greifende Occupy-Bewegung wird im energiegeladenen Albumopener verewigt (The Left Is Right). Das große Finale ist dafür Anonymous gewidmet, ein Internet-Phänomen, das auch maßgeblich bei Occupy-Demonstrationen in Erscheinung trat: "You can’t stop us / We are Anonymous / Expect us / We know what all of us know".

Ertappt fühlen kann man sich als Hörer von Payola übrigens auch ganz leicht, denn Conor Oberst regt sich sehr eloquent über Kaviarlinke und Slacktivisten auf - Menschen, die sich gern mit einer vermeintlich linken Gesinnung brüsten, solange ihr luxuriöses Leben nicht beeinträchtigt ist oder sie am Ende mehr tun müssten, als große Reden zu schwingen oder schnell mal eine Online-Petition zu unterstützen: "Just 'like' this and the problem is solved / I want to start to kick back and get involved / Everyone is selfless it’s so much fun / Donate a dollar with my coffee and save someone".

Eine musikalische Reminiszenz an die 90er Jahre

So politisch brisant und aktuell die Texte auf Payola sind, die Musik erfinden die Desaparecidos damit nicht neu: Was Landon Hedges, Matt Baum, Denver Dalley, Ian McElroy und Conor Oberst mit Gesang, Geschrei, Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug erzeugen, hätte so ähnlich auch schon in den 1990er Jahren zu hören sein können. Der Sound ist dynamisch, punkig, manchmal wütend, manchmal krachend, aber selten anstrengend - eine angenehme Abwechslung zu vielen überproduzierten und überambitionierten Machwerken, die regelmäßig auf den Musikmarkt geworfen werden. Die Desaparecidos liefern damit den Beweis, dass Emopunk trotz der kommerziellen Ausschlachtung und vielen schlecht gemachten Beispielen nach wie vor eine Daseinsberechtigung hat, wenn Conor Oberst dafür Texte schreibt.

"Payola" von Desaparecidos ist am 19. Juni 2015 auf Epitaph Records erschienen.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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